Änderung der Kantonsverfassung, Stimm- und Wahlrechtsalter 16 (ohne Herabsetzung des Wählbarkeitsalters 18)
Am 15. Mai wird über das Stimmrechtsalter ab 16 im Kanton Zürich abgestimmt.
Ein Ungleichgewicht: Jugendliche werden unterschätzt. Mangelnde Reife und Desinteresse an politischer Gestaltung werden ihnen vorgeworfen. Sie sind massiv untervertreten in einer Gesellschaft, die immer älter wird. Die nächsten Generationen werden aber am stärksten betroffen sein von den jetzt zu beschliessenden Massnahmen. Jugendparlamente machen reges politisches Interesse und den Wunsch nach Teilhabe sichtbar. Die Praxis zeigt, junge Nichtwähler aktiviert man mit jungen Themen, jungen Argumenten und jungen Vorbildern.
Zahlen*: Das sogenannte Medianalter der Wählenden liegt heute in der Schweiz bei 57 Jahren. Die eine Hälfte der Wähler:innen war bei den letzten Nationalratswahlen jünger, die andere Hälfte älter als 57. Ende 2020 gab es im Kanton Zürich 22’143 Personen im Alter von 16 und 17 Jahren, die das Schweizer Bürgerrecht besassen. Durch die Herabsetzung des Stimmrechtsalters würde die wahlberechtigte Bevölkerung also um 2,4% zunehmen.
Demokratie im Wandel.: 50 Jahre Frauenstimmrecht, Herabsetzung des Stimmrechts von 20 auf 18 Jahre vor drei Jahrzehnten und nun aktives Stimm- und Wahlrechtsalter ab 16 (in ein politisches Amt soll aber weiterhin nur gewählt werden können, wer volljährig ist). Bildung, Klima, Familie, Militär, Wohnraum… das sind alles massgebliche, lebensbegleitende Themenbereiche junger Menschen. Die Bedürfnisse der Gesellschaft werden verstärkt von der jüngeren Generation mitgeprägt. Offen und zugewandt soll Demokratie allen Bewohner:innen der Schweiz begegnen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung: Junge Menschen mit Stimm- und Wahlrechtsalter ab 16 zu demokratischem Handeln einladen.
Das wäre eine Öffnung ganz im Sinn des Schweizer Demokratieverständnisses, der umfassenden Abbildung des Volkswillens.
Der Kantonsrat hat am 15. November 2021 der Änderung der Kantonsverfassung mit 95 zu 73 Stimmen zugestimmt.
JA: Junge Menschen ab 16 sollen über ihre Zukunft stärker mitbestimmen dürfen. Ganz klar betreffen Zukunftsentscheidungen die junge Generation am längsten. Politische Handlungen müssen also auch vom Zeitgeist junger Menschen beeinflusst werden. Mitbestimmen heisst Verantwortung tragen, bedeutet konstruktives Nachdenken über Zukunft und ist eine bewusste Einladung zur Mitgestaltung der Gesellschaft.
NEIN: Stimmrecht setzt Mündigkeit voraus. Wer noch keinen Vertrag unterschreiben darf, noch keiner Steuerpflicht unterliegt, sollte auch nicht in politische Verantwortung eingebunden werden. Fehlende Reife lässt radikale Einstellungen befürchten. Mangelndes Gefühl für die Ernsthaftigkeit der Stimmabgabe oder auch einfach mangelndes Interesse an politischen Vorgängen entsprechen jugendlichem Denken.
*aus: Abstimmungszeitung des Kantons Zürich für die kantonale Volksabstimmung vom 15. Mai 2022 gemäss Schweizer Wahlstudie Selects
Bild: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, Fotograf Josef Schmid, 1970, Com_L22_0487-0001, CC BY-SA 4.0 .